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GESELLSCHAFTEN IM VERGLEICH
Ethik


Um Kulturen zu vergleichen, hat der Sozialpsychoanalytiker Erich Fromm den Begriff des "Sozialcharakters" geprägt, wobei er unter dem Gesichtspunkt der Ethik drei grundlegende Gesellschaftsformen unterscheidet: lebensbejahende Gesellschaftsformen (Typ A), nicht-destruktive / nicht-aggressive Gesellschaftsformen (Typ B) und destruktive Gesellschaftsformen (Typ C).

Lebensbejahende Gesellschaftsformen (Typ A)

Die erste Gruppe weist nachfolgende Merkmale auf: Reduzierte Feindseligkeit, geringes Mass an Gewalt und Grausamkeit, wenig Verbrechen, milde Formen des Strafvollzugs, geringe kriegerische Aktivitäten, wohlwollende Haltung gegenüber Kindern, keine schweren körperlichen Strafen, Gleichstellung zwischen Mann und Frau, offene und bejahende Haltung gegenüber der Sexualität, geringes Vorhandensein von Begierde, Gier und ausbeuterischen Neigungen, ausgeprägter Gemeinschaftssinn, Begrenzung des Eigentums auf Gegenstände des Grundbedarfs, grundsätzliche Vertrauenshaltung gegenüber den Anderen und der Natur. Menschen erfreuen sich guter Laune, depressive Verstimmungen sind selten. Als Beispiele des Kulturtyps A nennt Fromm die Znuni-Indianer, die Arapesh, die Bathongas, die Semangs, die Inuit und die Mbutus. Wir möchten diese Liste mit den auf dieser Webseite beschriebenen Kulturen der Semai und der Bhutaner ergänzen.

Nicht-destruktive / nicht-aggressive Gesellschaftsformen (Typ B)

Die zweite Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass Aggressivität und Krieg normale Bestandteile des sozialen Lebens sind, Grausamkeit jedoch abwesend ist. Hierarchie, Wettbewerb und Individualismus sind vorhanden. Fromm nimmt hier als Beispiele die Ojibwas, die Manus, die Samoaner, die Dakotas, die Incas und die Hottentotten. Die Negritos der Andamanen könnte man teilweise dem Typ A zuordnen, bezüglich deren Gewaltbereitschaft eher dem Typ B.

Destruktive Gesellschaftsformen (Typ C)

Die dritte Gruppe zeichnet sich aus durch ein hohes Mass an Gewalt, Destruktivität und Grausamkeit innerhalb der Gemeinschaft und im Verhältnis zu anderen Gemeinschaften. Im Vordergrund stehen die kriegerischen Auseinandersetzungen, das allgemeine Klima ist geprägt durch Misstrauen, Heimtücke, Angst, Verrat und internen Spannungen. Wettbewerb und Privatbesitz haben einen hohen Stellenwert. Hier werden als C-Typ Kulturen die Dobus, die Azteken, die Haidas, die Witotos und die Gandas genannt.